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«Die Noten sollen nachvollziehbar sein»

Die Gymiprüfungen wurden im Jahr 2023 erstmals nach einem neuen System bewertet. Gleichzeitig blieb der Schwierigkeitsgrad für das Bestehen derselbe. Wie geht das? Roland Lüthi, Koordinator der Zentralen Aufnahmeprüfungen (ZAP) und Rektor der Kantonsschule Zürcher Unterland bringt diese und andere Fragen zur Gymiprüfung auf den Punkt.

von Natalie Thomma
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Die Korrekturen der Prüfungen sind unterdessen abgeschlossen: Was hat das neue Aufnahmeverfahren verändert?

Der Kantonsrat hat eine Änderung des Mittelschulgesetzes beschlossen, nach der für die Aufnahme in ein Kurzgymnasium die Vorleistungen angemessen zu berücksichtigen sind. Der Bildungsrat nahm die Änderung des Mittelschulgesetzes zum Anlass, eine umfassende Überarbeitung des Übertrittsverfahrens an die verschiedenen Maturitätsschulen einzuleiten.

In der Vergangenheit führte die vergleichsweise tiefe Prüfungsnote der Zentralen Aufnahmeprüfung (ZAP) bei Kandidatinnen und Kandidaten bzw. ihren Erziehungsberechtigten immer wieder zu Irritationen. Mit der Anpassung der Bestehensnorm und der Berücksichtigung der Vorleistungsnote beabsichtigte der Bildungsrat, dass die ZAP-Prüfungsresultate für Kandidatinnen und Kandidaten sowie ihre Eltern nachvollziehbarer werden.

Die angepasste Bestehensnorm der ZAP führt dazu, dass die Prüfungsnote höher ausfällt und damit weniger stark von der Vorleistungsnote abweicht. Die Prüfungskommissionen haben alles darangesetzt, dass der Schwierigkeitsgrad der Prüfung und die Bestehensnorm auf dem gewohnten Niveau bleiben.

Ist der ZAP2-Prüfungsstoff auf den Schulstoff der Sekundarstufe abgestimmt?

Ja, das Volksschulamt erarbeitet die Prüfungsanforderungen (früher: «Anschlussprogramm») zusammen mit den Fachkommissionen, die die Prüfungen ausarbeiten. Die Fachkommissionen sind erstens über die Prüfungsanforderungen informiert und bestehen zweitens immer aus Lehrpersonen aus der Volksschule und aus dem Gymnasium. Gleiches gilt für die Begutachtungsgruppen, welche die erstellten Prüfungen überprüfen.

Welches sind die Vorteile von Schulsystemen mit zentralen Aufnahmeprüfungen?

Der Kanton Zürich will ein zweigleisiges Aufnahmeverfahren mit zentraler Aufnahmeprüfung und Probezeit. Die Schülerinnen und Schüler fahren in der Regel gut mit diesem System – wer die Aufnahmeprüfung besteht, hat eine sehr gute Chance, auch die Probezeit zu bestehen und die Matur zu erlangen. Damit verhindern wir auch, dass die Zeit am Gymnasium zur Leidenszeit wird. Zudem schützt das jetzige System auch die Lehrerinnen und Lehrer an der Volksschule. Würde der Aufnahmeentscheid allein bei ihnen liegen, wäre der Druck auf sie von Seiten einiger Eltern wohl noch höher, als er aufgrund der jetzt wieder zählenden Vornoten so schon ist.

Inwiefern kommt das Aufnahmeverfahren in die Zürcher Gymnasien einem Numerus Clausus nahe?

Die Vorleistungs- und die Prüfungsnoten bestimmen, wer die Aufnahmeprüfung ins Langgymnasium besteht. Die ZAP ist so konzipiert, dass jene Schülerinnen und Schüler die Prüfung bestehen, die das Potenzial haben, das Gymnasium erfolgreich zu absolvieren. Bei jährlich gleichbleibendem Schwierigkeitsgrad der Prüfung ist aufgrund der hohen Anzahl Geprüften aus statistischen Gründen zu erwarten, dass der Anteil an Schülerinnen und Schülern, welche die ZAP bestehen, stabil bleibt. Es ist nicht anzunehmen, dass ein ganzer Jahrgang plötzlich leistungsschwächer oder -stärker ist als der Jahrgang zuvor.

Die Prüfungskommissionen schätzen bereits bei der Prüfungserstellung ab, wie viele Punkte die Schülerinnen und Schüler bei jeder Aufgabe durchschnittlich erreichen werden. Nach einer Pilotkorrektur – direkt nach der Aufnahmeprüfung – können die Prüfungskommissionen den Schwierigkeitsgrad der Prüfung genauer abschätzen und die provisorische Notenskala festlegen. Die ZAP wird in zwei Runden korrigiert. Zum einen durch die Mittelschullehrpersonen und zum anderen durch die Volksschullehrpersonen. Die korrigierenden Lehrpersonen kennen weder die provisorische Notenskala noch die Vornoten der Prüflinge. Die Prüfungsergebnisse werden anschliessend ins zentrale Erfassungssystem eingegeben. Die Prüfungskommissionen legt anschliessend die definitive Notenskala fest.

Was bringen gute Vornoten fürs Gymnasium und welches sind deren Grenzen?

Ich bin überzeugt, dass die Noten aus der Volksschule sehr gute Indikatoren sind für die Bestehenschance am Gymnasium. Im Langzeitgymnasium ist das auch statistisch belegt. Dort wissen wir, dass zwei 5er als Vornote (dort zählen nur Deutsch und Mathematik) in aller Regel nicht reichen für eine Matur nachher. Die Ergebnisse der Studie von Berger und Moser (2010) haben gezeigt, dass sowohl für das Lang- als auch für das Kurzgymnasium die besten Prädiktoren zur Vorhersage des Erfolgs in der Probezeit die Erfahrungsnote und die schriftliche Prüfungsnote sind (S. 47).

Wie können SEK-Lehrpersonen ihre Schüler/-innen optimal aufs Gymnasium vorbereiten?

Indem sie diejenigen fördern, die das Zeug dazu haben. Zum Rüstzeug gehört neben einer schnellen Auffassungsgabe eben auch anderes: Es braucht Sitzleder, es braucht ein breites Interesse, es braucht durchaus auch die Lust am Lesen und die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, dessen unmittelbarer Nutzen einem nicht sofort klar ist. Das Gymi wurde stark verkürzt, was wir noch immer bedauern, aber es dauert, auch als Kurzgymnasium, immer noch vier Jahre. Das ist für Jugendliche eine lange Zeit. Gymnasiastinnen und Gymnasiasten sind sich auch gewöhnt, dass fleissiges Üben zum Ziel führt.

Lernforscherin Elsbeth Stern kommt in der NZZ am Sonntag vom 5. Februar zum Ergebnis, «dass sehr viele Schüler, die aufs Gymnasium kommen, hinsichtlich ihrer Intelligenzwerte nicht zu den besten 20 Prozent gehören». Was müsst Ihrer Ansicht nach beim Aufnahmeverfahren verändert werden, damit man diesem Ziel näherkommt?

Frau Stern macht es sich aus meiner Sicht gelegentlich etwas einfach – und den von Ihnen erwähnten Punkt wiederholt sie seit Längerem. Ich lese von ihr immer wieder Kritik am System (dessen Vorteile ich oben beschrieben habe), aber bis jetzt fehlt mir das Aufzeigen eines besseren Weges, der sowohl gangbar als auch politisch gewollt wäre. Im Bildungsbericht steht entgegen der Aussage von Frau Stern: «Während nun in Kantonen mit einer Abschluss- oder Aufnahmeprüfung weniger als 5% der Schülerinnen und Schüler sowohl in Lesen wie in Mathematik unterhalb der Kompetenzstufe 4 ins Gymnasium übergetreten sind, sind es in den Kantonen ohne Prüfung über 25%.» (Bildungsbericht 2018, S. 149f)

Zudem hat der Kanton Zürich in der bereits genannten Studie von Berger und Moser (2010) an der ZAP ebenfalls Intelligenztests durchgeführt (sogenannte AKF-Tests). Die Studie kam zum Schluss: Die AKF-Testergebnisse sind aber als Prädiktor für den Probezeiterfolg deutlich schlechter geeignet als die Erfahrungsnote und die schriftliche Prüfungsnote.

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