Unter uns gesagt: Ich glaube nicht, dass diese Auswertung die wesentlichen Schwächen und Stärken des Brunnackers ausweist. Dass das Brunnacker ein ordentliches Institut ist, das weiss man seit Jahrzehnten. Früher bekam ich als Mama jeden Tag mit, was abging, good and bad. Doch seit es die Schulleitung und die Sozialarbeit gibt, machen leider weniger Anekdoten die Runde. Egal: Wir von der Schulpflege und vom Elternrat haben seit jeher unsere eigenen Evaluations-Parameter. Die Gütekriterien heissen:
- ein paar Abgänger ans Gymi und eine schöne Anzahl unterschriebener Lehrverträge;
- tiefe Ausgaben für Instandstellung nach Vandalismus an Gebäude und Mobiliar und
- geringe Fluktuation des Personals.
Wozu also der Zirkus? Der Evaluations-Bericht ist der pädagogische Persilschein! Er bezieht sich mehr auf die Randzonen des Schulalltags und fällt meistens insgesamt wohlwollend aus. Damit kann Sonja pauschale Anschuldigungen abwedeln. «Unabhängig, objektiv» – basta. Klar, objektiv meint das Objektiv des Volksschulamtes. Und dieses Objektiv ist wohl nicht so scharf auf Döbelis Frontal-Unterricht eingestellt. Also kommen wir einerseits im Evaluationsbericht gut weg. Andererseits unterscheiden wir uns nur schwach von Nachbarsgemeinden, deren Schulen bei freier Schulwahl lieber eine von der Schliessung gefährdete Postfiliale wären. Wir vom Brunnacker sind doch um Welten besser als die vom Schachenmatt! Die sind doch ethnografisch anders herausgefordert mit ihrem Sozial-Index über 118, aber hallo! Als ich einst auf dem Pausenplatz im Schachenmatt eine Schülergruppe nach dem Lehrerinnen- und Lehrerzimmer fragte, antwortete ein etwa 18-jähriger Anführer schnippisch, er könne die Aussage verweigern, das habe er «im Sossialgunde» gelernt. Aber eben: In der Evaluation der Schulen unterscheiden wir uns beim Wohlbefinden der Schüler kaum, bei Lehren und Lernen wenig, und bei der Individual-Förderung hat das Schachenmatt gar die Nase vorne! Ist doch klar, dass es dort mehr zu fördern gibt, wenn die mehr Jungs aus anderen Kulturkreisen integrieren müssen.
Die Verzerrungen der Schulrealität durch die Schulevaluation waren auch Sonja durchaus bekannt. Für meinen gekränkten Stolz hatte sie aber wenig übrig. Sie warnte mich: Kein Wort über unsere tatsächliche Qualität! Sie verbat mir öffentlich zu erwähnen, dass Döbelis B-Klasse im Stellwerk-Deutsch besser abgeschnitten hat als die A im Schachenmatt. Wenn sie jetzt etwas nicht brauche, dann seien das Gründe, mit dem Erreichten und dem Personal zufrieden zu sein! Die kleinen Tolggen in Schulevaluation seien doch das A und O bei der strategischen und der operativen Leitung einer Schule! Und in diesen Gremien seien ja die Lehrer glücklicherweise nicht mehr drin. Langsam begriff ich sie. Aus dem Evaluationsbericht liessen sich wahre Rosinen herauspicken: Bestimmte Unterrichtsformen weisen bezüglich Lerneffizienz Optimierungsbedarf auf, näselte Sonja theatralisch. Sie hielt mich am künstlichen Fell meiner Kapuze und schüttelte mich. «Das ist der Steilpass für meine Lernlandschaften, Ruth». Dann fand sie eine weitere Perle: Wenn Probleme auftreten, ist nicht allen Schulbeteiligten klar, wie sie reagieren sollen. «Endlich kann ich das fünfteilige Modul zur Neuen Autorität aufgleisen und Sanktionen mit der ePlattform verbinden», jubelte Sonja.
Da musste ich als Schulpflegerin schauen, dass die Kirche im Dorf bleibt.
«Moment», sagte ich ihr, «der Evaluationsbericht ist an die Schulpflege adressiert; wir bestimmen, wie der verwurstet wird!» So konnte ich wenigstens durchsetzen, dass die Franz-Dispensierten mit Griechisch beglückt werden.
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