Mittwochmorgen 0700 Uhr im Lehrpersonenzimmer; Situationsbild: Ein angebissener Apfel liegt auf dem Fenstersims. Die Abwaschmaschine überquillt mit gewaschenen und frisch eingeparkten, kaffeetröpfelnden Tassen. Der letzte Spültab ist am Abend zuvor an die Maschine verfüttert worden. Die leere Schachtel grinst schadenfreudig in den grauen Morgen. Auf dem Tisch tummeln sich neben diversen Bröseln undefinierter Provenienz auch ein angebrochener Sack Chips, ein Überbleibsel des Elternabends der 2. Sek.

Diese Woche habe ich mit Bernie Küchendienst. Doch er treibt sich natürlich schon längst in der Werkstatt rum oder hat es wieder mal vergessen. Ein Mann halt! Beherzt schmeisse ich die Abwaschmaschine an, nun halt ganz ökologisch ohne Spültab. Mit spitzen Fingern wird der Apfel (ich erahne bereits Maden im Fruchtfleisch) in den Kompost befördert. Der leise miefende Lappen übernimmt unter meinen Fingern die Reinigung des Tisches. Nach einigen Minuten bin ich zufrieden mit mir und meinen Taten. Hier kann man wieder essen und klönen in der Zehnuhrpase. Ich mache mich auf den Weg zum Unterricht.

Um 12:00 Uhr bin ich ziemlich erschöpft und quäle mich mit letzter Kraft in die wohlgesinnten Mauern des Lehrpersonenzimmers. Seit wir für das neue Schuljahr einige frische Lehrpersonen U30 einstellen konnten, entpuppt sich dieser Ort als Platz der Kommunikation. Besonders hoch im Kurs stehen im Moment die geschlechtertypischen Themen. Eine Junglehrperson weiblichen Geschlechts (nehme ich wenigstens an) hängt mit leicht irritierter Stimme am Handy: «Also, du hast gesagt, dass du neue Rasierer kaufst und nun hast du’s vergessen! Dann gehe ich halt zum Waxing, das hält sowieso länger.» Nach Beendigung des Gesprächs, wird die Mikrowelle mit Nudeln gefüllt. Unterzwischen sind wir zu viert im Lehrpersonenzimmer. Alle weiblich. Das Stichwort ist gefallen: Körperhaarentfernung. Frau kann sich bei diesem Thema ganz schön ins Zeugs legen. Und natürlich hat jede die garantiert beste und schmerzfreiste Methode. Ob nun mit Zucker, Wachs oder Pinzette epiliert wird oder der Wald unter Armen und an und zwischen den Beinen erhalten bleibt, jede argumentiert eloquent für ihre Methode. Die Worte flattern, die Wangen leuchten.

Und dann öffnet sich die Türe, ein Mann tritt ein. Sofort gilt es neue Inhalte zu finden. Frau Lehrerin ist flexibel und sprudelt umgehend eine neue für alle Geschlechter taugliche Alternative hervor: «In meiner Klasse ist es mit der Arbeitsmoral beim Erledigen der Aufgaben leider nicht so weit her. Seit den Ferien liegt es besonders bei Maximilian im Argen. Deswegen habe ich ihn heute in der grossen Pause zur Rede gestellt:

Warum hast du die Aufgaben nicht gemacht?

Und er:

Ja, Frau Partelli, ich mache die Aufgaben beinahe jeden Tag in der Woche.

Dann macht er eine Kunstpause und geniesst meinen zweifelnden Gesichtsausdruck.

Beinahe am Montag, beinahe am Dienstag…»

Und bereits ist der Lehrpersonen Mann integriert und kann nun auch seine Anekdoten zum Besten geben. Nach einigen weiteren Diskussionen über dies und das, schalte ich die Abwaschmaschine an und widme mich im Schulzimmer meinen Französischprüfungen und der Vorbereitung des Conditionels für den nächsten Morgens. Bevor ich mich auf den Heimweg mache, will ich noch kurz das Lehrpersonenzimmer aufräumen. Ein Laut des Entzückens entfährt mir nach dem Öffnen der Türe. Im Gestell stehen neue Spültabs. Der Tisch ist mit einer Schale Äpfel und Schöggelis verziert, die Stühle stehen artig in Reih und Glied. Sämtliche Oberflächen glänzen zufrieden in den Abend. Bernie, you are the best, denke ich gerade, als mein Handy randaliert. Am andern Ende ist meine zweite Hälfte: «Wo steckst du, das Essen steht auf dem Tisch! Ständig vergisst du, dass du noch eine Familie hast neben der Schule.» Ich renne aus dem Schulhaus.

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