Jeder und jede ist ersetzbar.

Der erste Satz unserer Dozentin anlässlich des Impulsreferats im Modul Führungskompetenz für Schulleitende an der PH hallt mir durch den Kopf, als ich die Schulkonferenz zur Pensenverteilung vorbereite. Jeder stirbt einmal. Aber das Leben geht weiter im Brunnacker, auch ohne unsere Double-«P», Patrizia Partelli. Vielleicht sogar besser. Soll sie doch gehen, wenn sie will. Jede ist ersetzbar, auch die Säulenheiligen in diesem Institut. Da pflichten mir nicht wenige ihrer sogenannten guten Kolleginnen und Kollegen bei, die ihre Freude über den Abgang der Ehrgeizlerin kaum verbergen können. Mit ihren Forderungen hat sie den Bogen überspannt: Zurück auf sechzig Prozent nach dem Mutterschaftsurlaub. Pensum auf zwei Tage verteilt. Dispens von Schul- und Teamkonferenz, einfach nur unterrichten. Die Fachschaft nur noch per Zoom-Call. Ne, ne. Aber danke für die Steilvorlage zu einem Change. Dazu passt «It’s time to say goodbye» von Andrea Boccelli, und ich singe mit im Duett! Ciao Patrizia – nie mehr dein «pädagogische Freiheit! Pädagogische Freiheit!» in den Ohren! Diese Phrase hätte mir fast einen Tinnitus eingebracht! Pädagogische Freiheit wird zudem heute von den meisten ganz anders verstanden. Für Marco ist sie ein freier Mittwochnachmittag beim Golfen. «Kurvenberechnung», meinte er und zeichnete mit der Hand elliptische Flugbahn seines Flop Shots nach. Als er sein Hobby im Berufsauftrag als Weiterbildung anrechnen lassen wollte, fragte ich nach der Formel, und die Sache war erledigt. Bernie Schmalz verlangte pädagogische Freiheit, als er mit den Jungs aus seinem Werken-Kurs in den Europapark gehen wollte, obwohl die Schulpflege dies verboten hatte. Hand aufs Herz: Die pädagogische Freiheit braucht`s eigentlich nicht mehr, da das pädagogische Futter heutzutage Convenience Food ist, vom Lehrmittel abgepackt, von der Lehrperson mehr oder weniger originell moderiert und von den Jugendlichen portionenweise
endverwertet. Lernpass plus, und nun das für Knaben neu entwickelte Lernspass minus, Schularena, und der Laden läuft. Aufsätze? Da sag ich Tschü mit Ü, liebe
Patrizia… Deutsch kann heutzutage jeder. Aufsätze werden ja nicht mehr korrigiert wie früher, sie werden wertschätzend in der Peergroup besprochen. Und da ist ja neu auch fiete.ai. Tönt professionell, wie die Lehrer früher auch. Anständige CVs in der Berufswahl können die Schülerinnen und Schüler heutzutage auch bei der Jugendarbeit, im BIZ oder bei der Empower-Group des Elternrates abholen. Und die haben’s alle vom Onkel ChatGPT! Also? Wir haben multiprofessionelle Teams, liebe Patrizia, und zum Glück muss ich dir das nicht mehr erklären. Wenn so viele Köpfe im Betreuungs- oder auch im Lernprozess drin sind, kannst du froh sein, wenn bei Schulschluss die Kiddies auch ohne deine Freiheit ein paar Online-Übungen eingetütet haben und du nach den Koordinationssitzungen heil in den Feierabend kommst. Nur Good News an der Konferenz: Patrizia verlässt uns, und die Nachfolge ist so gut wie gefunden. Zwei Bewerbungen sind in der engeren Auswahl: Betty Blankhard und Imre Szekeres. Beide haben schon Berufserfahrung, Imre ist sogar ausgebildet. Die zwei machen einen willigen Eindruck, wollen gerne übernehmen. Allerdings fragen sie dauernd nach Zusammenarbeit und meinen dabei Entlastung. Für die nicht abgeklärten ISR-Fälle, die ja überall sind, für das Korrigieren der Prüfungen (welche Korrektur?), für die Individualisierungs-Gespräche. Und beide möchten für ihre Schüler Hausaufgabenstunden, die in ihrem Pensum sind. Selbstverständlich auch Lernatelier unterrichten. Und Zeichnen – ich machte sie darauf aufmerksam, dass wir dem «Bildnerisches Gestalten» sagen, aber beide
meinten, nein, sie wollten das Zeichnen. Warum sich Betty gegen die Übernahme der Fachschaft wehrt, verstehe ich nicht. Das gibt doch nicht viel zu tun, die
Lehrpersonen kommen ja auf dem neusten Stand ausgebildet zu uns. Die neuen Bücher sind selbsterklärend, und sonst gilt Mut zur Lücke, selbst wenn diese so
gross ist wie der Abstand zwischen den Buchdeckeln. Sie könne Deutsch, aber sie könne kein pädagogisches Deutsch. Sie rede, wie ihr der Schnabel gewachsen sei,
das habe man ihr schon an der PH gesagt. Dann macht eben Imre die Grammatik im Deutsch und Betty den Rest. Jeder soll bei uns seine Stärken ausspielen dürfen.
Ok, dann nehme ich beide, entlaste sie, indem ich sie mit Stunden für gegenseitiges Fach-Mentoring ausstatte.. Die Klassenstunde muss ich aber
deswegen dem Team wieder streichen. Aber wir sind ein Team, wir stützen einander. Und so kommen wir von 16 Lehrkräften zu 17 Lehrpersonen.

Die Schulkonferenz mag kommen! Es lebe das multiprofessionelle Team!

 

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