Heute ist Sporttag – normalerweise ein Grund für viele meiner SchülerInnen, nicht zu erscheinen. Aber nicht heute, denn nächste Woche gehen wir als Abschluss in den Europapark, und ich habe die Teilnahme am Sporttag als Bedingung vorausgesetzt. Die Klasse erscheint geschlossen, auch wenn die Resultate bei den meisten etwas hinter jene der ersten Sek zurückfallen. Mus­keln, Sprunggelenke und leider auch die Hirnaktivität sind etwas erschlafft.


Das sind nicht die einzigen Anzeichen dafür, dass die intrinsische Motivation (Sonjas Lieblingsausdruck seit der letz­ten Weiterbildung) massiv abgenommen hat. So kam etwa die Hälfte der Klasse und beantragte die beiden Jokertage direkt vor Auffahrt. Nicht nur das, sie stellten auch alle einen Antrag auf Ver­längerung auf eine ganze Woche, quasi eine Brücke zur Brücke an Auffahrt.


An der Elternfront ist es auch verdächtig ruhig geworden. Nebst Urlaubsgesuchen unterschreiben sie auch alles andere als wären es Grusskarten. Einträge: wortlos akzeptiert, statt mit dem Anwalt gedroht und seitenlange E-­Mails geschrieben. Schlechte Noten: mit den Schultern gezuckt  und unterschrieben.
Was man der Klasse nicht vorhalten kann, ist mangelnder Zusammenhalt. Letzte Woche war Patrick am Montagmorgen krank. Am Nachmittag fehlten dann sowohl seine Freundin Nicole als auch sein bester Kollege Jan. Der Begriff Lern­partner wird plötzlich etwas grosszügig interpretiert.

An Kreativität fehlt es den Dreien auch nicht. In der Haushaltskunde sind «aus Ver­ sehen» Hackfleischbällchen an die Decke und in den Dampfabzug geflogen. So durften die drei dann mit unserem Haus­ wart die Küche reinigen. Ein Glück, denn so sind auch die Zopfteigreste der  letzt­jährigen Drittsekler und viele andere fliegende Lebensmittel hervorgekommen. Ein Jahrbuch der etwas anderen Sorte. Albert und Erna haben nun an Mittwoch­nachmittagen fast mehr Jugendliche als ich im regulären Unterricht.

Fast schlimmer als die Schüler sind die Fachlehrpersonen. Haben die eigentlich zum ersten Mal Drittklässler? Bernie droht jede Woche, dass er nie mehr Projektunterricht erteilen werde, wenn die Werkstatt wieder zu einem Sammel­becken für die ideenlosen und unmotivierten Schüler werde. Einige würden so langsam arbeiten, dass der Leim bereits schon während des Auf­tragens eintrockne.


Nebst all den Arbeiten, die bis zum Ende der 3. Sek noch zu erledigen sind, laufen die Vorbereitungen für das neue Jahr bereits wieder. Wer kriegt welche SchülerInnen aus der 6. Klasse? Diese Sit­zungen zur Klassenzuteilung ähneln je länger je mehr einem Bazar. Da landen die Namen der Jugendlichen auf dem Tisch und schon beginnt das grosse Ver­teilen. Wer nimmt welchen IF ­Schüler, wer die ISR­ Jugendlichen? Wenn ich «dei­nen» ISR­ Schüler nehme, kann ich dir dann «meine» zwei IF­ Kinder geben? Das unterscheidet sich nur unwesentlich von dem alle zwei Jahre stattfindenden Pani­ni ­Tauschhandel. Es fehlen eigentlich nur noch die Fotos der Jugendlichen. Auch wenn ich es im Feilschen im Laufe der Jahre zu einigem Talent gebracht habe, kauft man am Schluss die Katze doch im Sack. Ein Schüler ohne Randnotizen  bei «Verhalten» kann sich über die Sommer­ferien zur grössten Nervensäge aus­ wachsen und seine Eltern zu Drachen… Da schweifen die Gedanken zu meinen Drittklässlern und ich gestehe mir ein, dass ich trotz aller Lethargie wenigstens weiss, was ich an ihnen habe.

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