Es ist Spätherbst, die letzten Blätter fallen und prompt landet eines mit der Einladung zur schulinternen Lehrerweiterbildung  in  meinem Fach.

Vorhang auf für ein alljährliches Schauspiel der Extraklasse! Als einziger in diesem Schulhaus, der von sozialer Interaktion wirklich viel versteht, ist es für mich eine Weiterbildung im doppelten Sinne. Die Schulpflege und Sonja Brunner möchten Prozesse harmonisieren, die Lehrpersonen sollten individualisieren und an der Weiterbildung sieht man diese beiden tektonischen Platten so aufeinanderprallen, dass jede halbwegs normale Lehrperson in der Störzone zermalmt wird. Für das geschulte Auge psychologisch echt interessant!

Schon der Anfang ist eine Offenbarung. Sonja versucht sich an einer Ansprache. Dabei tigert sie so herum, dass man auf den ersten Blick sieht, wie unwohl es ihr unter so vielen kritischen Lehrpersonen ist. Trotz mitreissend gemeintem Tonfall macht sich auf vielen Gesichtern Ernüchterung breit. Sie wollen bei der nächsten Schulevaluation nicht so fest unter die besten zehn kommen, wie Sonja das gerne möchte. – Ei, eine SMS von Joachim. Mit zu viel Freizeit kann er einfach nicht umgehen. Zu gut, dass ich multitasking fähig bin und auch während der Weiterbildung meinen Job noch machen kann. Manchmal frage ich mich, was die nur ohne mich machen würden. – Eine externe Referentin stellt das heutige Programm vor. Diese Päda-Berater haben so klangvolle Namen wie «Frische Luft» oder «die Schulpraktiker», meistens hart an der Grenze zur unlauteren Werbung. Leider hat die Vorstellung des Programms fast mehr Inhalt als der ganze restliche Tag. Das Brunni-Team schafft es aber auch immer, in denselben Loop zu geraten. Es beginnt damit, dass jemand etwas Neues möchte. Das ruft den Döbeli auf den Plan, der in seiner berüchtigten Holzfäller-Ansprache zuerst irgendeinen anderen Baum fällen möchte. Er redet sich so ins Feuer, dass man am Ende vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Fehlt nur noch, dass die Elternvertreterin das Wort ergreift. Nach ihrem fünfminütigen Votum hat man wieder eine klare Vorstellung vom absolutem Vakuum. Das ist dann die Sternstunde unseres Heilpädagogen. Er verstrickt die Referentin in eine Privatdiskussion mit vielen Fachausdrücken. Am Schluss sind wir wieder beim Ausgangspunkt  der Diskussion.

Gewisse Gesichter nehmen in dieser selt-samen Singsaalluft einen derart blutleeren Farbton an, dass nur die Kaffeepause sie wieder zurück ins Leben rufen kann. Danach verschlaufen sich alle in die Gruppenräume, um irgendein Plakätchen zu verunstalten und es nachher zu präsentieren. Immer dieselbe Leier! Dabei würde man die Lehrer besser mal mit etwas Breakdance aus der Totenstarre holen, wie ich das seit Jahren mit Schülern erfolgreich mache. Ein einziger Lichtblick in fünf Jahren Weiterbildung: Wir mussten uns zusammen mit der Primarschule in einen gemeinsamen Rhythmus trommeln. Das war mal eine Weiterbildung, die den ganzen Körper ansprach! Die Anja erklärt das Plakat ihrer Gruppe. Vor lauter Wiederholungen und Schlaufen vergisst sie, auf den Inhalt einzugehen. Man fragt sich, wie die Schüler/-innen unterrichten kann… Aber jetzt komme ich! Im Namen meiner Gruppe erkläre ich wie eine Fischteichdiskussion zum Einholen von Feedback funktioniert. Da muss man etwas weit ausholen, damit so verstockte Pädagogen das verstehen. Ich bin gerade bei den Gelingensbedingungen, als mein Blick auf Patrizia Partelli fällt. Sie ist mit den Gedanken woanders; denkt wahrscheinlich daran, dass sie jetzt den Unterricht von morgen vorbereiten könnte. Aber wie willst du guten Unterricht vorbereiten, wenn du nicht mal den Fischteich begriffen hast? Ich werde etwas lauter und erkläre es in anderen Worten nochmals.

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