«Ich beantrage, dass wir mit der Detailplanung des Brunnacker 2 zuwarten, bis Döbeli von seiner Weltreise zurück ist!» Bernie Schmalz war aufgestanden und blickte in die Runde.
«Weltreise?», blökte Anja Schulz, «Freistellung trifft die Sache wohl eher…» – «Frühpensionierung!», unterbrach die Schulleiterin energisch. «Die Schulpflege hat heute eine Richtigstellung auf der Gemeinde-Homepage unter MyServices/Exits veröffentlicht.» Doch Schmalz liess nicht locker: «Wie auch immer: Hannes war damals mit Kopf, Herz und Hand in der Baukommission…» – «Damals, damals…» unterbrachen aufgebrachte Stimmen den Werklehrer. «Wir wollen keine Schule wie damals!» – «Aber auch nicht so eine verpisste Tabletten-Schule! Wenn WLAN, dann per Kabel!», bellte Bernie zurück. «Ruhe! Ruhe bitte …», meldete sich Sonja Brunner: «Ich… Wir müssen beim Thema Neubau Brunnacker vorwärts machen. Erstens: Döbeli ist nicht mehr im Rennen. Zweitens: Die Gemeindeversammlung ist nach Ostern. Und drittens: Nach zweistündiger Diskussion fasse ich darum fürs Protokoll zusammen, worüber wir uns mehrheitlich einig sind: Also, die Linde bleibt erhalten, sie wird allenfalls verschoben.» – «Nicht auf Kosten unseres Biotops!», präzisierte Schmalz. «Dein Biotop kommt neben die Half-Pipe», beschwichtigte Anja den Kollegen. Die Schulleiterin fuhr fort: «Dann: Ein einig Team von Lehrpersonen sind wir auch bezüglich pädagogischer Ausrichtung: Die neue Schule soll weder eine traditionelle, noch eine futuristische sein. Das Non-Schooling-Modell steht im Vordergrund. Ich zitiere von unseren zehn Flip-Charts:
Ein Turmbau ermöglicht es, die Lernwelten flexibel zu gestalten. Papierlose Schule mit Aussen-Screens, auf denen Lernszenen in Zeitlupe präsentiert werden. Alles von künstlicher Intelligenz bereitgestellt.» – «Du und deine künstliche Intelligenz», höhnte jemand aus dem Hintergrund. Sonja Brunner liess sich nicht beirren und fuhr fort: «Schüler können die Räume frei nutzen, situativ und intuitiv. Home schooling, blended learning und parental coaching 24/24 sollen möglich sein, sowie Lernatelier…» Wieder wurde die Schulleiterin durch einen Zwischenruf eines äusserst besorgten Pädagogen unterbrochen: «Lärmatelier! Lärmatelier heisst der Unsinn.» Anja Schulz fühlte sich nun berufen, dagegenzuhalten. «An der PH habe ich gelernt,…». Weiter kam die Quereinsteigerin nicht, denn ein grosses Gelächter brach aus, das für einen Moment sämtliche Differenzen vergessen liess.
Somit ergriff Ruth Varkidakis die Möglichkeit, Mitteilungen aus der Schulpflege zu verkünden: «Ja, liebe Lehrpersonen, die Schulpflege wünscht, dass sich die Schule committet und unser Bauprojekt trägt. Ihr alle seid mir an diesem Turning Point wesentlich, denn ihr, ihr tragt die Schule. Wir sind Steakholders und Influencers.» Mit diesen nicht ganz treffenden Begriffen gelang es Varkidakis, die Aufmerksamkeit des Plenums wieder zu wecken; einige begannen Grilldüfte zu wittern, und die Mehrheit öffnete synchron ihr Instagram. «Wir bauen gemeinsam an der Zukunft, am Haus des Lernens, und damit schliesse ich auch unseren Architekten ein, der uns die Leitlinien vorgibt.» Am Bildschirm wurde ein Plan sichtbar, die Schulpflegerin agierte mit dem Laserpointer. «Es wird in gewissem Sinne ein Turm, aber die Schule wird versenkt. Tiefbau. Nur der Eingangsbereich ist ebenerdig. Darüber ist die Mantelnutzung, die Einnahmen generiert, dann geht’s neun Etagen abwärts. Unsere Digital Natives haben damit kein Problem, und die Lichtarchitektur wird auch die sensibelsten Lehrpersonen überzeugen. Das Erdinnere ist ein alternativer Lebensraum, und ihr seid die Fachleute für die neue, gewissermassen unterirdische Pädagogik.» Ein langes Schweigen breitete sich aus.
Anja und Bernie schauten sich an und schlossen aus ihren Blicken, dass sie genau dasselbe dachten: Nun bräuchten wir unseren Döbeli.
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