7.30 Uhr, 2. Klasse, Sek A, Deutsch

Ich Guten Morgen miteinander!
Klasse (vereinzelte Privatgespräche werden in Ruhe weitergeführt)
Ich (etwas lauter) Guten Morgen mitein­ander!
Klasse (überraschte Gesichter, verlegenes Grinsen, dann Gemurmel) Guete Morge
Ich Fehlt jemand?
Klasse (Ruhe, Schulterzucken)
Ich Na dann. Welches Thema haben wir letztes Mal angeschaut?
Klasse (Stille)
Ich (leicht frustriert) Die Modalformen… welche kennt ihr?
Jason Wo isch eigentlich dä Luigi?
Anna Und d’Lili?
Ich Jetzt habe ich euch doch eben ge­fragt, ob jemand fehle! (Ich notiere mir hastig die Namen, muss ich später ins Lehreroffice eintragen…)

Also, zurück zum Thema, es gibt drei ver­schiedene Modal…

Linus (Ein innerliches Zucken, denn immer wenn Linus aufstreckt, muss ich mit unangenehmen Fragen rechnen, die mich aus dem Rhythmus bringen…)Sie, wieso mümir das lerne? Was bringt mir das für mini Lehr als Informatiker?
Ich (Dachte ich’s mir doch…) Das gehört nun mal zur Allgemeinbildung und ist Teil des Lehrplans… Ausserdem ist das jetzt nicht der Moment, um zu diskutieren. Wenn du das mit mir besprechen möchtest, dann komm bitte in der Pause zu mir.

So, also wo waren wir? Ach ja, die Modal­ formen…

In diesem Stil verlaufen alle Lektionen. Dank meiner Autorität gelingt es mir, die SuS immer wieder auf den Pfad des Ler­nens zu bringen. Schliesslich habe ich eine Verpflichtung den zukünftigen Gymikandidaten gegenüber. Wie es in Döbelis Unterricht zugeht, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Der lässt keine Gelegenheit aus, um einen guten Spruch zu machen. Dafür fehlt es an Struktur und didaktischem Ehrgeiz. Apropos Geiz… geizig ist er auch. Ich weiss genau, dass er letzte Woche Geburtstag hatte. Aber statt wie jeder anständige Kollege etwas Essbares zu spendieren, schnorrt er den anderen von den Schoggistänge­li, die sie im Lehrerzimmer für die alltäg­lichen Notfälle bunkern.

Endlich die grosse Pause. Leider muss ich auf Kontrollgang mit Steve, dem Sozi, der sucht sicher wieder die Nähe zu seinen «Klienten». Ich finde es total unnötig und anbiedernd, dass er sich auf deren Niveau hinablässt. Schliesslich ist er mit Anfang 40 auch kein Teenager mehr. Da klingen so Aussprüche wie «Feuz, was lauft, Alter» einfach bescheuert.

13.30 Uhr, Englisch, dieselbe Klasse

Me Hello everybody. (Same procedure as every lesson) Today we talk about the difference  of «make» and «do». How would you trans­late «Er macht seine Hausaufgaben»? (Philipp streckt auf, goodboy, trotz allem…)
Philipp Händ sie mir ächt äs Pflaschter? Ich blüete…
Me Why are you bleeding?
Philipp (grosse Augen starren mich an…)
Leonie Sie frögt, warum du blüetisch…
Me Ok, Philipp, come here…The others think about the question I asked you at the beginning!Ich hätte gerne mal eine Statistik, wie viel Prozent von den 45 Minuten echte Lern­zeit sind…

15.15 Uhr, letzte Lektion, dieselbe Klasse, Französisch

Moi La dernière fois on a parlé du passé composé, est-­ce que quelqu’un peut nous expliquer, ce que c’est que le passé composé?
Laclasse (Stille, verzweifelter Blick auf die grosse Uhr an der Wand, noch 43 Minuten…)
Moi Alors, Le passé composé??????

(Seit 20 Jahren versuche ich auf alle Arten und Weisen dieses Thema verständlich rüberzubringen, aber es ist so sinnvoll, wie ein Eisstand am Nordpol… Oh, aber da, Emma streckt auf, Gott sei Dank!) Oui, Emma?


Emma Dörf ich Dütsch rede?
Moi Mais non, essaie d’expliquer en fran­çais!
Emma Das chan ich nöd, dänn säg ich halt nüt.

Nun ja, auch diese Lektion geht vorüber und mir ist klar, dass ich morgen wieder gaaanz von vorne anfangen kann. Ich freu mich jetzt schon auf ein groooosss­ses Glas Wein heute Abend zusammen mit der neuen Serie auf Netflix: The exhausting life of teachers.

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