Heute ist ein wunderschöner Tag, um die Welt zu verändern. Um 11 Uhr haben wir Schülerparlament und es stehen viele interessante Themen auf der Traktandenliste. Fast pünktlich können wir mit der Sitzung beginnen. Nur Benjamin und Zehra aus der 1. Sek A mussten noch ihren Französisch-Leseverständnistest fertig machen und kommen deswegen ein paar Minuten verspätet. Dies führt zu einer kleinen Unruhe mit Alex aus der 2. Sek B, weil er Benjamin unbedingt noch von dem völlig falsch geahndeten Foul des Stürmers des FC Red Stars am letzten Samstag erzählen muss. Ich räuspere mich laut und schaue die Parlamentspräsidentin streng an. Yara wirft ihre langen, blond gefärbten Haare über die Schulter und eröffnet die Sitzung: «Hoi zäme, ich begrüsse euch alle zu unserer 9. Sitzung in diesem Jahr. Als erstes kommen wir zum Protokoll.»

Ich verkneife mir ein Lachen. Sie nennt die fünf Sätze, mit welcher unser Aktuar Valon die letzte Sitzung zusammengefasst hat, tatsächlich Protokoll. Schön bunt war es – da kann niemand etwas dagegen sagen – und liebevoll mit drei verschiedenen Schriftarten gestaltet, aber ein bisschen mehr Inhalt und Orthographie hätten dem Papier nicht geschadet. Ich muss unbedingt dran denken, das Dokument Patrizia Partelli ins Fächli zu legen. Sie ist überzeugt, dass ihre Schüler dank dem hervorragenden Schreibkompetenztraining, welches sie als Kooperative Lernform in ihrem Deutschunterricht einsetzt, ebenso gut schreiben wie der Bänz Friedli im Tages-Anzeiger.

Yaras Stimme reisst mich aus meinen Träumereien: «Damit ist das Protokoll einstimmig angenommen, danke Valon. Wir kommen zum ersten Punkt auf der Traktandenliste: Pausenbeck.»

Ein Dauerbrenner, dieser Pausenbeck. Mindestens dreimal im Jahr diskutieren wir über das Angebot, das den neusten Erkenntnissen der gesunden Ernährung entsprechen  muss.  Dumm  ist,  dass die wenigen Lebensmittel, die erlaubt sind, nicht wirklich gut bei der Kundschaft ankommen und wir dann am Ende des Jahres auf 250 Päckli vertrockneten Darvidas und schrumpligen Äpfeln sitzenbleiben. Für mich wären ja Semmeli gefüllt mit Pommes Chips total in Ordnung und gegen ein paar leckere Schokoladenriegel hätte ich auch überhaupt nichts. Aber da laufen Albert und Erna Jauch wegen des Müllbergs Amok und zwei Stunden später bekommen wir erboste Telefonate der Schulzahnklinik oder veganer Eltern.

«Unser zweites Thema heute ist mangelnde Pünktlichkeit der Lehrpersonen», kündet Yara an und wirft mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Das muss man sich mal vorstellen. Jugendliche werfen uns vor, dass wir den Unterricht zu spät beginnen. Die sind sowas von normalo-konform, dass sie sich aufregen, wenn sie nichts lernen dürfen, was für Spiesser!

«Es gibt Gründe, die dazu führen, dass der Unterricht nicht auf die Minute genau beginnen kann. Wir Lehrer brauchen die Pausen für Unterrichtsabsprachen und manchmal dauert das länger als 10 Minuten. Ausserdem ist das kein Thema fürs Schülerparlament», erwidere ich deutlich. Wäre ja noch schöner, wenn die «Kurzen» uns vorschreiben, ob wir unsere Zigarette in Ruhe fertig rauchen können oder nicht.

«Unser letztes Thema wäre das Sommerfest. Leider reicht jetzt die Zeit nicht mehr, um da noch ausführlich darüber zu diskutieren, aber wir geben es euch zurück in die Klassen und ihr könnt dann bei der nächsten Sitzung eure Ideen rückmelden. Damit ist unsere Sitzung geschlossen.» Gut gemacht Yara! So denken alle, dass das mit dem Sommerfest dieses Jahr das erste Mal klappen wird. Niemandem ist aufgefallen, dass unsere nächste Sitzung erst am 18. Juni sein wird und dass es dann viel zu knapp für die Planung  wird.

Heute wäre ein wunderschöner Tag gewesen, um die Welt zu verändern. Im Brunnacker aber bleibt alles beim  Alten.

Artikel herunterladen Übersicht Kolumnen