Unwort des Jahres 2015? Bei uns im Brun-nacker ganz sicher: Lernlandschaften – einzuführen ab 2016/17 auf Geheiss von Schulpflege und Sonja. Nur weil alle Menschen mal selbst die Schule besuchen mussten, meinen sie, sie könnten automatisch mitreden. Wann ist uns allen, die mit der Schule zu tun haben, wieder mal Ruhe gegönnt? Nebst Alltagskram wie Besuchstagen, MABs, Schilfs, Projektwochen, Schulreisen, Klassenlagern, Sporttagen, Evaluationen, Sitzungen, Abklärungen bei Logopäden, Schulpsychologen DaZ-Lehrpersonen, stufendurchmischtem Unterricht, Nachteilsausgleichen, Umfragen, Zahnarztgutscheinen,  Berufsbesichtigungen, Standortgesprächen und dieser besch… Schul-Cloud – um nur ein paar Beispiele zu erwähnen – soll nebenher die Schule neu organisiert werden. Weil das Neue von vor drei Jahren bereits nach einem Klassenzug altbacken und nicht mehr zukunftstauglich wirkt? Mal schreien die Leute nach Autorität, dann wieder nach selbstmotiviertem, eigenverantwortlichem, selbstorganisiertem Lernen der Kinder. Selbst? Gestatten, dass ich lache. Die Jugendlichen von heute sind genau so wenig von innen motiviert wie wir damals, als wir jung waren. Die freuen sich einfach, wenn sie ihre Kollegen sehen und sich über die neuesten Bilder auf Instagram austauschen können, aber Schule? Gerade deshalb kommt es auf einen Lehrer an, der die Schüler überzeugen und begeistern kann. Erst kürzlich wurde an einer Schilf erwähnt, dass laut der John-Hattie-Studie, die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler massgeblich ist, um schulisch erfolgreich zu sein. Meine Worte! Als Sek-B-Lehrer weiss ich, wovon ich spreche. Nähme ich Izmir oder Suluf nicht manchmal zur Brust, würden die noch mehr Seich machen und Lehrpersonen wie die Patrizia im Wahlfach in eine Erschöpfungsdepression führen. Eben erst waren wir in unserer Lehrerweiterbildung auf Schulbesuch um uns so eine moderne, «selbstgesteuerte» Schule mit Lernlandschaften anzusehen. Mir taten die Schüler in dem riesigen Grossraumbüro leid. Was hat das mit Landschaft zu tun? Eine Augenwischerei ist das! Hinter metallenen Gittern durften sie an ihren Einzelpültchen sitzen und auf die Pause warten. Natürlich kann es ganz nützlich sein, wenn Gitter zwischen schwierigen Schülern platziert sind. Und das, während der Tierschutz diese Batteriehaltung für sämtliche Tierarten verbietet und sogar Meerschweinchen zu zweit gehalten werden müssen. Zwei Lehrpersonen, die ja jetzt Coaches heissen, waren auch anwesend und guckten wichtig drein. Bei einigen Schülern bemerkte ich, dass sie einfach gelangweilt vor einem Blatt sassen, traurig etwas kritzelten und vor sich hin stoffwechselten. Das war wahrscheinlich wirklich selbstmotiviert und selbstverantwortlich, aber ob das auch sinnvoll und artgerecht ist? In der anschliessenden Diskussionsrunde wurde die Schulleitung dieser modernen Schule gefragt, wie sie entscheiden würden, wenn sie die Möglichkeit hätte, ohne weitere Kosten wieder zurück zum alten System zu wechseln. Die zwei Damen schauten sich zuerst betreten an, dann meinte die eine zögernd: «Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile.» Schön, dass sie so ehrlich waren, doch die Frage sei gestattet: Wofür so viel Unruhe, Kosten und bauliche Veränderungen in Kauf nehmen, wenn das Resultat nicht restlos überzeugt? Und wenn sich gewisse Schulen, die dieses System eingeführt hatten, schon wieder davon  abwenden?

In letzter Zeit sind die Ringe unter Sonjas Augen grösser geworden, sie wirkt müde und erschöpft. Aber sie hätte sich ja auch gegen diesen Blödsinn wehren können. Jetzt heisst es halt Augen zu und durch. Auch diese Phase werde ich überstehen mit der Gewissheit: Es kommt bald wieder eine neue. Aber meine Pensionierung ist ja auch nicht mehr so fern, zum Glück

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