Getarnt hinter den Putzwagen kriegt das Ehepaar einiges mit, was nicht für seine Ohren bestimmt ist. Ihren legendären Wissensvorsprung wissen die beiden geschickt zur Optimierung ihrer Arbeits­zeit zu nutzen.

Unglaublich, wie heiss der Sommer die­ses Jahr war. Sogar die ewig gepflegte, immer adrett gekleidete Patrizia hatte Schweissflecken unter den Achseln, was sie glaubs mega stresste. So Sachen sind mir schnurz. Schliesslich erledige ich richtige Arbeit mit den Händen und dem Körper, das darf man ruhig sehen. Momentan ist es recht stressig, da vom Herbst noch viele Blätter rumliegen. Dann hol ich meine Lieblingsmaschine, den «Puschti» wie ich ihn liebevoll nenne. Ich schaue, dass ich ihn während der Unterrichtszeit einsetzen kann. Das hat den Vorteil, dass die Damen und Herren der Lehrerteppichetage nicht nur sehen–, sondern vor allem auch hören, wie ich hier rumackere. Natürlich empfange ich dann boshafte Bemerkungen und Blicke in den Pausen, kratzt mich aber nicht weiter. Wenigstens die Anja, unsere Quereinsteigerin nimmt’s locker. Ich glaube, bei der ist eh so ein Tumult im Zimmer, dass es auf die Auswirkungen meines «Puschtis» nicht drauf ankommt. Fragt mich doch die Sonja, unsere Schul­leiterin allen Ernstes, ob ich an der Weiter­bildung zum Lehrplan 21 dabei sein möchte. Sie war dann ob meiner hefti­gen Reaktion etwas erschrocken. Nur weil ich ab und zu Sträflinge am Mittwochnachmittag beaufsichtigen muss, heisst das doch nicht, dass ich die nach Lehrplan 21 beschäftigen muss, oder? Und überhaupt, was heisst schon «kompetenzorientiert»? Diese Frage habe ich dann dem Hannes gestellt. Der meinte grinsend, ich solle den Mist ver­gessen. Er ändere sowieso nichts mehr an seinem Unterricht. Der laufe seit 30 Jahren super und er sehe keinen Grund, daran herumzuschräubeln. Recht hat er. Aber die anderen Leute hier, von der Annador aus dem Elternrat bis zur Ruth aus der Schulpflege, machen aus dem Lehrplan  21  eine  grosse  Sache. Klagen über die vielen Stunden, die sie für ein Online­ Tool einsetzen müssen. Aber einen noch grösseren Aufstand machen sie, wenn WC­ Papier oder Handtücher ausgegangen sind. Oder Papierstau beim Kopierer. Oder der Beamer funktioniert nicht… Was für Kompetenzen sind denn in solchen Situationen gefragt? Da komme ich ins Spiel mit meiner Fach­ und Sachkompetenz. Brauche ich dazu eine Weiterbildung? Nein

Jä nu, jetzt findet halt die Weiterbildung statt und die Schüler haben frei. Das bedeutet auch für mich und meine Erna schüler­ und lehrerfreie Zeit. Natürlich sag ich das nicht laut, aber Erna und ich fahren dann mal untertags ins Shoppi­land, um nach den neuesten Reinigungs­maschinen Ausschau zu halten, schliess­lich gilt es, unser Budget auszuschöpfen! Vor allem für die Turnhalle muss was Neues her. Ich wünsche mir eine Art Mini­version der Eismaschine aus dem Hallen­stadion, die Hallenböden perfekt reinigt. Wie oft habe ich unseren Sportlehrer schon darauf hingewiesen? Die versauen mir mit ihrem Geräteturnen und dem Magnesium den ganzen Boden. Und wer beklagt sich dann sofort bei mir, dass der Boden rutschig sei? Richtig, die Partelli. Weil sie über den Mittag ihre Yoga­übungen unbedingt in der grossen Halle machen muss. Letzthin hörte ich Bernie, Hannes und Steve laut lachen. Ich mach­te mich in der Küche zu schaffen und tat so, als ob ich die Kaffeepads auffüllen müsste, um mehr zu erfahren. Hannes prustete, dass er im Kopierraum Patrizias Notizen für die Weiterbildungstagung gefunden habe. Die sei ja so eine Strebe­rin – zig Unterrichtsbeispiele akribisch genau notiert. Er habe für sich eine Kopie davon gemacht und werde sie ein wenig anpassen. Wäre ja blöd, eine Arbeit nochmals zu machen, die schon erledigt sei. Ob Hannes auch eine Kopie haben wolle? Patrizia werde kaum Zeit haben, um alle ihre Unterrichtsbeispiele selbst zu  präsentieren…

So geht das bei den Damen und Herren Lehrpersonen zu und her. Keinen Deut besser als ihre Schüler…

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