Marco Bisa, Leiter der Stadtpolizei Dietikon, ist im Dienst der Jugendpatrouille öfters auf den Strassen Dietikons unterwegs. Wie unterscheidet sich sein Umgang mit Jugendlichen von demjenigen der Lehrpersonen?
Die Jugenddienste der Stadt- und Kantonspolizei Zürich führen seit langem regelmässig Patrouillen durch. In Dietikon und beispielsweise Uster ist dies möglich, weil die Kommunalkorps genug gross sind. Ist die Grösse eines Korps der einzige Grund, Patrouillen durchzuführen?
In Dietikon führen wir Patrouillen durch, weil Jugendliche oft in Vorfälle involviert sind. Bei Jugendpatrouillen haben wir Zeit, das Gespräch mit Jugendlichen zu suchen und sie auf mögliche Konsequenzen von Handlungen aufmerksam zu machen. Manchmal hilft es, einem Jugendlichen die Augen zu öffnen, welche Konsequenzen Straftaten für Täter und Opfer haben können.
Auf der Jugendpatrouille sind Sie zu zweit unterwegs, eine Kollegin oder ein Kollege wechselt grundsätzlich ein paar Worte mit der Gruppe, der andere steht etwas abseits und deckt ihm/ihr den Rücken.
Die Gespräche sind manchmal kürzer, sie dürfen aber auch dauern. Mit der Zeit kennt man sich und im besten Fall lässt sich ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Trotzdem ist es wichtig, wachsam zu bleiben. Eine Situation auf der Strasse kann sich schnell ändern. Auf Patrouille zu gehen, braucht Wachsamkeit und Konzentration.
Einerseits versucht die Jugendpatrouille Beziehungen zu pflegen, anderseits sind manchmal auch Repressionen nötig.
Aufgenommen werden oft Sachbeschädigungen oder Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Unrechtmässig gefahrene E-Fahrzeuge haben meist Verwarnungen zur Folge, es kommt aber immer öfter auch zu Verzeigungen.
Welche Folgen hat eine Aufnahme eines Tatbestands?
Die Eltern werden informiert. Eine Aufnahme eines Tatbestands hat meistens ein Gespräch auf dem Polizeiposten zur Folge. Bei unter 18-Jährigen geht der Fall danach weiter an die Jugendanwaltschaft.
Wie reagieren Sie auf Provokationen und Beleidigungen?
Es ist wichtig, ruhig zu blieben. Das ist nicht immer einfach. Es darf auch einmal lauter werden. Wenn eine Situation trotz aller Bemühungen eskaliert, werden strafbare Handlungen konsequent angezeigt.
Wie würden Sie auf eine Ohrfeige eines Jugendlichen reagieren?
Die Polizei anzugreifen, geht gar nicht. Das hätte eine Anzeige und eine Festnahme zur Folge. Es gehört zur Aus- und regelmässigen Weiterbildung jedes Polizisten, sich angemessen und wirkungsvoll zur Wehr zu setzen. Das ist aber nicht das Ziel der Jugendpatrouille. Sie will Gespräche führen, Beziehungen aufbauen und das Vertrauen fördern.
Was müssen Beamte mitbringen, die auf Jugendpatrouille gehen?
Ein Beamter muss vor allem gut mit Jugendlichen umgehen können. Eine hohe Sozialkompetenz ist von grosser Bedeutung. Ausserdem gehören gute Kenntnisse des Jugendstrafrechts und ein gutes Netzwerk zu Jugendorganisationen dazu.
Was versuchen Sie bei Begegnungen von Jugendlichen zu vermeiden?
Es ist klar, dass man mit provokativem Verhalten nichts erreicht. Es kann laut werden oder man muss repressiv handeln. Wichtig ist, es werden alle gleich behandelt.
Wo sind Sie mit Ihren Kolleg-/innen unterwegs?
Die Jugendpatrouillen fahren Örtlichkeiten an, an denen sich vor allem Jugendliche aufhalten. Meist sind dies öffentliche Plätze, Schulareale und im Winter wärmere Örtlichkeiten wie beispielsweise Garagen. Manchmal gehen wir Hinweisen aus der Bevölkerung nach, manchmal stehen die Orte auch in Zusammenhang mit unseren eigenen Beobachtungen.
Sie sind seit 26 Jahren auf der Strasse unterwegs. Welche Veränderungen stellen Sie bei den Jugendlichen fest?
Jugendkriminalität und -gewalt haben in den letzten Jahren zugenommen. In letzter Zeit werden vermehrt Stichwaffen mitgetragen, teils auch eingesetzt. Der Umgang mit den Beamten ist ein anderer, Wortwechsel werden schnell laut. Respekt und Anstand sind allgemein stark zurückgegangen vor allem wenn die Jugendlichen in Gruppen unterwegs sind. Da ziehe ich aber auch die Erziehungsverantwortlichen in die Pflicht. Hier müsste sich die Gesellschaft schon Fragen stellen.
Als Vater von heranwachsenden Jugendlichen und als Profi im Umgang mit Jugendlichen haben Sie sich sicher auch Gedanken zu den Ursachen dieser Veränderungen gemacht.
Erziehung ist kompliziert geworden. Das Umfeld der Schule übt einen grossen Einfluss auf die Jugendlichen aus. Umso wichtiger ist die Präsenz der Eltern zu Hause, gemeinsame Unternehmungen in der Famile. Ich stelle ausserdem fest, dass wir Erwachsene unsere Rolle als Vorbilder in vielen Bereichen nicht wahrnehmen. Wer von Jugendlichen erwartet, dass sie die Strasse auf dem Fussgängerstreifen überqueren, sollte das vor allem selbst tun. Wer achtlos mit Abfällen umgeht, sollte nicht von Jugendlichen fordern, dass sie Littering vermeiden.
Trotz den vielen Negativ-Schlagzeilen ist auch in diesem Interview nur von einem kleinen Prozentsatz der Jugendlichen die Rede.
Das ist richtig. Alle die es gut und richtig machen, werden von der Polizei nicht erfasst. Das macht es nicht einfach. Aber ja klar, es ist wie bei den Fussballfans. Ein kleiner Teil baut Mist und der grosse Teil muss die Konsequenzen tragen. Ziel muss es sein, dass diejenigen die es richtig machten in ihrem Verhalten zu bestärken. Und alle jene die auf der schiefen Bahn landen, müssen wieder zurück auf den richtigen Weg gebracht werden, denn diese haben ihr Leben noch vor sich.
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