Franziska Eck und Jürg Mätzener arbeiten gemeinsam als Schulsozialarbeiter an diversen Schulen. «Wir sind ein starkes Team und ergänzen uns in unseren Kompetenzen. So viel als möglich arbeiten wir zusammen, da wir professionelle Arbeit in allen Feldern der Schulsozialarbeit bieten.»
Das Thema Gewalt begleitet sie in ihrer Arbeit täglich. Zum Interview treffe ich sie in ihrem Kellerbüro. (Zu hoffen ist, dass die Lokalität nicht die Relevanz ihrer Arbeit widerspiegelt, sondern nur aus Platznot getroffen wurde.)
In welchen Situationen sind Schülerinnen und Schüler gewalttätig?
Gewalt ist sehr facettenreich und individuell unterschiedlich. Oft beginnt es mit Drohen, Stossen bis hin zu Schlägereien. Die verbalen Auseinandersetzungen werden auch bei jüngeren Schülerinnen und Schülern sehr roh und gewalttätig geführt. Was uns beunruhigt ist die «Salonfähigkeit» von Gewalt und die tiefe Hemmschwelle. Dass einer, der am Boden liegt mit Tritten eingedeckt wird, scheint normal geworden zu sein.
Wo sind die Ursachen von Gewalt?
Auch hier spielen sehr viele Faktoren mit. Der Einfluss der Medien scheint wichtig, aber auch die Pandemie geht nicht spurlos an den Schülerinnen und Schülern vorbei. Das Verhalten der Familie fördert in einigen Fällen die Gewaltbereitschaft.
Wir stellen jedoch fest, dass die Schule ein Ort ist, an dem wenig Waffen vorkommen. Das hat mit dem rigorosen Durchgreifen der Lehrpersonen zu tun.
Welche Rolle spielt die Familie?
Diese kann problematisch sein. Wenn Eltern nicht bereit sind, das Verhalten der Kinder als falsch anzusehen, dann ist eine Intervention unmöglich. Grundsätzlich sind die Eltern jedoch offen für die Zusammenarbeit und schätzen diese sehr.
Bei Kindergartenkindern erleben wir häufig, dass sie zu Beginn der Schulpflicht erst einmal in einer Gruppe sozialisiert werden müssen. Sie haben in der Familie nicht gelernt, dass sie Teil eines Systems sind und nehmen sich selbst als «das System» wahr.
Welche Voraussetzungen erschweren eure Arbeit?
Beim Fehlen klarer Regeln erschwert sich das Finden einer Lösung. Grenzen müssen definiert sein. Ein Kind erhält Sicherheit, wenn es weiss, wie weit es gehen darf. Wenn Eltern und Schule unterschiedliche Signale aussenden, dann wird sich ein Kind verloren fühlen.
Welche Möglichkeiten der Intervention habt ihr zur Verfügung?
Wir zeigen den Schülerinnen und Schülern, wie ein Streit zustande kommt. Dabei achten wir darauf, dass wir eine altersgerechte Sprache verwenden. Viele Schülerinnen und Schüler werden sich erst bei unserer Intervention bewusst, was ihr Verhalten auslöst und sind froh, wenn wir ihnen Wege zeigen, die aus dem Konflikt führen können.
Welche Faktoren sind für eine gute Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wichtig?
Kinder und Jugendliche wollen wissen, woran sie sind. Nur wenn ihr schlechtes Verhalten eine höchst unangenehme Reaktion hervorruft, werden sie dieses ändern. Wenn nur gedroht wird und die Konsequenzen dann nicht durchgesetzt werden, dann kann es sein, dass die Schülerinnen und Schüler die Situation weiter eskalieren lassen, bis sie Grenzen spüren. Ihr Verhalten wird immer gewalttätiger. Es ist so: Gewalt passiert dort, wo man sie zulässt.
Ein weiterer Leitsatz ist: Mach dein Problem nicht zu meinem Problem. Wir Erwachsenen sind schnell mit Lösungen, doch die Schülerinnen und Schüler müssen die Lösung selber finden. Wenn Erwachsenen Lösungen bieten, dann kann sich die Schülerin oder der Schüler zurücklehnen.
Was ist für die Schülerinnen und Schüler wichtig?
Diverse Ver- Begriffe kommen uns da in den Sinn: Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen, Verständnis, Verfügbarkeit und sicher noch verschiedene mehr.
Welche Faktoren sind für eine gute Zusammenarbeit zwischen Schule und Schulsozialarbeit wichtig?
Es kommt sehr auf die Haltung der Lehrpersonen, Schulleitung und auch der Schulsozialarbeit an. Wenn gemeinsam entschieden und dann gehandelt wird, ist die Arbeit zielführend. Die Lehrpersonen, die Schule, muss sich darüber einig sein, welche Regeln sie durchsetzen möchte. Die Schule hat die Aufgabe die Regelverstösse zu ahnden. Die Schulsozialarbeit hingegen strebt eine entwicklungsfördernde Aufgabe an, sie versucht Verhalten zu ändern. Eine optimale Zusammenarbeit findet nur statt, wenn sich die Akteure ihrer Rolle bewusst sind.
Was kann die Schulsozialarbeit sonst noch bieten?
Sie kann junge Lehrpersonen stärken und diesen Unterstützung bieten. Besonders am Anfang des Berufslebens fühlen sich die Lehrpersonen noch sehr unsicher. Das Gespräch mit der Schulsozialarbeit kann ihnen weiterhelfen. Es gibt Eltern, die sich im Ton vergreifen. Gerade für unerfahrene Lehrpersonen kann so ein Übergriff verstörend sein.
Wie gestaltet ihr die Präventionsarbeit?
Vorbedingung für gute Präventionsarbeit ist die gute Vernetzung der verschiedenen Akteure. Wir tauschen uns mit dem Jugenddienst der Polizei, der KESB und diversen anderen Institutionen aus. Dieser Austausch verschafft uns viele Informationen und gibt der Schülerin und dem Schüler das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen. Auf dieser Grundlage ist Präventionsarbeit möglich. Diese gestaltet sich sehr unterschiedlich und kann zum Beispiel eine Klassenintervention sein, die zum Formulieren der Klassenregeln führt.
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